[August Bebel in Zürich an Gustav Noske in Chemnitz]
2. September 1907
Ich bekomme soeben den Auszug aus Ihrem Bericht über Stuttgart, betreffend die Ungültigkeitserklärung des Mandats der Genossin Luxemburg [1]. Ich meinerseits will energisch protestieren gegen die taktlose Art, wie Sie die Angelegenheit behandeln. Sie haben damit den Gegnern gezeigt, daß es in der Partei eine ganze Anzahl trauriger Gesellen gibt, die eine rein sachlich zu behandelnde Frage nur aus persönlicher Antipathie entscheiden. Das war mir nicht neu, aber das offen ausgesprochen zu haben, bleibt Ihr Verdienst. Die betreffenden Personen können sich bei Ihnen bedanken. Ich will hierbei nicht verschweigen, daß es eine Zeit gab, wo ich auf Ihre Entwicklung hoffte. Ich muß erklären, daß diese Hoffnung getäuscht wurde.
Quelle :
— NOSKE Gustav, Aufstieg und Niedergang der deutschen Sozialdemokratie. Erlebtes aus Aufstieg und Niedergang einer Demokratie, Zürich, 1947, S. 27/28 ;
— BEBEL August, Ausgewählte Reden und Schriften, Band 9, Bearbeitet von Anneliese Beske und Eckhard Müller, München, K.G. Saur, 1997, S. 130. - Transkription und HTML-Markierung : Smolny, 2012.
[1] Rosa Luxemburg war am 11. Juli 1907 in einer öffentlichen Frauenversammlung in Leipzig als Delegierte der Frauen Sachsens zur Internationalen Konferenz sozialistischer Frauen, die am 17. und 19. August 1907 in Stuttgart tagte, und zum Internationalen Sozialistenkongreß in Stuttgart, dessen Beratungen vom 18. bis 24. August 1907 dauerten, gewählt worden. Von der deutschen Delegation auf dem Internationalen Sozialistenkongreß wurde das Mandat Rosa Luxemburgs jedoch für ungültig erklärt, weil nach dem Statut der sozialdemokratischen Landesorganisation für Sachsen Frauen und Männer gemeinsam organisiert waren und deshalb die Frauen nicht das Recht zu einer gesonderten Delegierung hätten. Rosa Luxemburg nahm am Internationalen Sozialistenkongreß als Mitglied des Internationalen Sozialistischen Büros (ISB) und als Delegierte der polnischen Sozialdemokraten teil. Endnote S. 406.