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Karski - Marchlewski, Imperialismus oder Sozialismus, 1912

Karski, de son vrai nom Julian Marchlewski, est un militant polonais, proche de Rosa Luxemburg, présent dès la création du SDKPiL. Ses souvenirs personnels rédigés en 1921  en hommage à Rosa Luxemburg et Leo Jogiches, témoigent de cette proximité et de leur travail au sein de la social-démocratie polonaise. Le texte ci-dessous est un extrait de Imperialismus oder Sozialismus, paru en 1912. Il peut être lu en entier sur le site Sozialistische Klassiker.

 

https://sites.google.com/site/sozialistischeklassiker2punkt0/karski/karski-imperialismus-oder-sozialismus

http://comprendre-avec-rosa-luxemburg.over-blog.com/2018/07/la-plus-sensible-et-exacte-biographie-de-rosa-luxemburg.a-la-memoire-de-rosa-luxemburg-et-de-leo-tyszka-jogiches-julian-marchlewski

 

Extrait de Imperialismus oder Sozialismus, 1912

 

4. Das imperialistische Ideal

Während so das Kapital die ganze Erde zu seinem Ausbeutungsfeld zu machen, die Welt immer mehr in ein einheitliches Wirtschaftsgebiet zu verwandeln strebt, zerreißt die Schutzzollpolitik dieses Gebiet wieder in einzelne Stücke, deren Ausbeutung als Monopol der besonderen nationalen Kapitalistenklasse vorbehalten bleiben soll. Und zum Bestreben jeder Kapitalistenklasse wird es, das ihr gehörige Stück möglichst zu vergrößern. Die schutzzöllnerische Wirtschaftspolitik steigert so den Gegensatz der Staaten untereinander. Da jeder den anderen aus dem Weltmarkt auszusperren sucht, so sucht jeder mit Gewalt sich einen möglichst großen Teil des Weltmarktes anzueignen. So wird die kapitalistische Expansionspolitik im Verein mit der Schutzzollpolitik zur kolonialen Eroberungspolitik. Es entsteht das Ideal der Kapitalisten, ihr Reich auf Kosten aller anderen zu einem Weltreich, zu einem Imperium zu machen, das so umfassend ist, dass alle wirtschaftlichen Bedürfnisse des Kapitals in seinen Grenzen befriedigt werden können. Und da die Kapitalisten in ihrer immer straffer werdenden ökonomischen und politischen Organisation die Staatsmacht immer unbedingter beherrschen, da Bürokratie und Militär bei einer solchen Politik ihre Interessen gewahrt sehen und ihre Macht vermehren, wird die imperialistische Politik immer mehr zu der alle kapitalistischen Staaten beherrschenden. Die Idee vom ewigen Frieden, die die englischen Freihändler einst der kapitalistischen Welt zu erfüllen versprachen, wird verhöhnt und verspottet. An ihre Stelle tritt die Verherrlichung des Krieges und der Gewalt, und die Eroberung von Kolonien wird der Hauptinhalt der auswärtigen Politik.

Das Ziel dieser Kolonialpolitik ist aber nicht mehr die Erwerbung von Siedlungskolonien, wohin die überschüssige Bevölkerung abfließen könnte, wie solche im 18. Jahrhundert etwa die heutigen Vereinigten Staaten von Amerika für England gewesen sind. Denn eine solche Überschussbevölkerung existiert in den entwickelten Industriestaaten nicht mehr. Die kapitalistische Entwicklung führt immer mehr zu dem Resultat, die Bevölkerungsvermehrung zum Stillstand zu bringen, diesen wichtigen Antrieb des Kulturfortschritts still zu setzen, In allen Industriestaaten sehen wir eine rasche Abnahme der Geburtenzahl, und nur der Rückgang der Sterblichkeitsziffern verhütet bis jetzt, dass die Bevölkerung dieser Staaten zum Stillstand kommt. Und dies in einer Zeit, wo die rasche Ausdehnung der Produktion auch immer neue Scharen von Arbeitern erfordert. Dies hat bewirkt, dass Deutschlands Auswanderung völlig geringfügig geworden ist. Im Jahre 1910 waren es im ganzen rund 25.000 Personen, die Deutschland verließen, und diesen stehen die 1½ Millionen Ausländer gegenüber, die das deutsche Kapital alljährlich als billige Arbeitskräfte seinen Ausbeutungsbedingungen unterwirft. Und wie die Auswanderung aber schon gar nichts mit moderner Kolonialpolitik zu tun hat, beweist die Tatsache, dass die Auswanderer sich wohl hüten, deutsche Kolonien aufzusuchen. Gingen ja zum Beispiel 1910 nicht weniger als 22.773 in die Vereinigten Staaten. In dem ganzen letzten Jahrzehnt sind im Ganzen gerade 596 Deutsche nach Asien oder Afrika ausgewandert! Es ist also ein frecher demagogischer Schwindel, wenn gesagt wird, dass die Kolonialpolitik dazu dienen soll, deutschen Arbeitern und Bauern neue Heimstätten zu schaffen. Es sind ganz andere, rein kapitalistische Ziele, die die Kolonialpolitik in Wirklichkeit verfolgt.

Der große wirtschaftliche Aufschwung seit Mitte der neunziger Jahre hat den Preis der industriellen Rohstoffe, der Metalle und der Baumwolle besonders, stark in die Höhe getrieben, und Kartelle und Trusts einerseits, Börsenmanöver andererseits haben die Verteuerung weiter gesteigert. In den Kolonien suchen die Kapitalisten neue Bezugsquellen zu erschließen. Es gilt, Stätten zu finden, wo die Erzschätze zum Monopol großer kapitalistischer Gesellschaften gemacht oder wo Handelspflanzen, vor allem Baumwolle, von den versklavten Eingeborenen für den Weltmarkt produziert werden könnten. Nicht Siedlungs-, sondern Ausbeutungskolonien heißt die Losung. Zugleich bietet die Erschließung der Kolonien dem Großkapital den gewünschten Absatz für seine Produkte. Eisenbahnen werden gebaut, deren Erträgnis die Steuerzahler den Unternehmern garantieren müssen, Häfen angelegt, neue Schifffahrtslinien eingerichtet und vom Staate reich subventioniert, Bergwerke werden gegründet, das Land den Eingeborenen abgenommen, um Plantagen anzulegen, eine wilde Land- und Börsenspekulation schließt sich an. Resultat: eine kleine Zahl von Kapitalmagnaten verfügt über neue Reichtümer. Um aber die Kolonien möglichst auszubeuten, muss das Kapital völlig frei schalten können. Es braucht vor allem möglichst freie Verfügung über das Land und über die Arbeitskraft der Eingeborenen. Deswegen werden die Eingeborenen ihrer Rechte beraubt; das Land wird ihnen abgenommen, sie werden rasch und plötzlich proletarisiert und gezwungen, als Besitzlose sich widerstandslos den härtesten Ausbeutungsbedingungen des Kapitals zu unterwerfen. Und wenn sie sich nicht gutwillig fügen, wenn sie, zur Verzweiflung getrieben, sich zur Wehr setzen wollen, dann greift die Staatsmacht ein, und die europäischen Arbeiter müssen als Soldaten den „Aufstand“ niederwerfen und als Steuerzahler die Kosten für die glorreichen Kolonialkriege bezahlen. Diese gewaltsamen Methoden gehören zum Wesen der Kolonialpolitik, die ohne diese ihren kapitalistischen Sinn verlieren würde. Die Einbildung, Kolonialpolitik treiben, aber ihre gewaltsamen Methoden beseitigen zu können, ist nicht ernst zu nehmen. Das ist ebenso wenig möglich, wie das Proletariat abzuschaffen, jedoch den Kapitalismus erhalten zu wollen.

Ihre Kolonien sucht die Kapitalistenklasse jedes Landes sich selbst vorzubehalten und fremde Kapitalisten auszuschließen. Der Freihandelsgrundsatz der offenen Tür wird immer mehr aufgegeben und auch die Kolonien in das durch Schutzzollmauern abgeschlossene Gebiet einbezogen. So weckt jeder Kolonialerwerb der einen Macht den Neid und Widerstand der anderen. Damit wird die Kolonialpolitik, das notwendige Ergebnis der schutzzöllnerischen Wirtschaftspolitik, zu einer ständig wirksamen Ursache kriegerischer Verwicklungen zwischen den großen kapitalistischen Staaten.

5. Imperialistische Gewaltpolitik

Wir haben gesehen, wie der Kapitalexport das ökonomische Mittel der Welteroberung geworden ist. Sehen wir jetzt zu, wie die Politik in den Dienst des Kapitals gestellt wird.

Während die bürgerlichen Parteien der entwickelten kapitalistischen Nationen sich gegen den Ansturm der Arbeiterklasse immer mehr zusammenschließen, während sie immer lauter ihren Abscheu vor der Revolution bekunden und am liebsten aus ihren Geschichtsbüchern jede Erinnerung an die große revolutionäre Epoche des Bürgertums tilgen möchten, ist der Kapitalismus selbst wieder einmal zum großen Revolutionär geworden, und die Gewalt wird zur Geburtshelferin neuer Entwicklungen.

In doppelter Gestalt wirkt die Gewalt: als Revolution und als Krieg. Der Kapitalismus dringt immer tiefer ein in die alten Agrarstaaten des Orients, er zersetzt alle alten sozialen Verhältnisse, schafft eine moderne bürgerliche Klasse, und diese wird die Trägerin revolutionärer Umgestaltungen, sei es, dass diese sich wie in Japan, der Türkei, Persien und China gegen die alte Staatsmacht richtet, sei es, dass sie wie in Indien oder Ägypten als nationale Bewegung gegen die Fremdherrschaft auftritt. Zugleich bilden die Wirren, die die Revolution unvermeidlich nach sich ziehen, für die großen kapitalistischen Staaten die Gelegenheit, um die vorübergehende Schwäche zur Beraubung oder völligen Einverleibung solcher Staaten auszunutzen. Bei den tiefen Gegensätzen innerhalb der kapitalistischen Welt bilden diese revolutionierten Staaten so neue Krisenherde, verschärfen die Kriegsgefahr oder führen selbst zu großen Kriegen.

Und in der Tat ist die Periode ökonomischer Umwälzung zugleich im größten Maße eine Kriegsperiode.

Das Jahr 1894 kündet der Welt in dem chinesisch-japanischen Krieg das Erwachen Asiens an, zeigt, dass der Kapitalismus dort im fernsten Osten bei der verachteten gelben Rasse einen neuen Staat hat entstehen lassen, einen Nationalstaat nach europäischem Muster, mit der Technik der europäischen Industrie, mit der Mordtechnik der europäischen Waffen und mit allen Übertreibungen des europäischen Nationalismus und Chauvinismus.

1898 führen die Vereinigten Staaten, das Land des jüngsten und konzentriertesten Kapitals, ihren ersten großen Kolonialkrieg und rauben Spanien den wertvollsten Teil seines Kolonialbesitzes. Der Besitz der Philippinen macht sie zu Interessenten bei allen Entscheidungen im fernen Osten Asiens. In diplomatischen Verhandlungen zwingen sie England den Verzicht auf den Bau des Panamakanals ab, bemächtigen sich des von ihm durchzogenen Gebietes und gehen mit fieberhaftem Eifer an die Fertigstellung, um durch die Verbindung des Atlantischen mit dem Stillen Ozean ihre Kriegsflotte, die rasch vergrößert wird, instand zu setzen, bei allen großen Entscheidungen im Atlantischen und Stillen Ozean mitbestimmend aufzutreten. Zugleich macht das amerikanische Trustkapital sich an die wirtschaftliche Eroberung Mittel- und Südamerikas und wirft jeden Widerstand gegen sein Eindringen nieder, indem es in den widerstrebenden Staaten „Revolutionen“ finanziert, die es dann nach seinen Bedürfnissen ausnutzt.

Dem Beispiel der jüngsten kapitalistischen Macht folgt die alte Großmacht des Kapitalismus, England: es begann 1899 den Burenkrieg um der Gold- und Diamantenfelder willen und gestaltete Südafrika zu einem englischen Kolonialreich.

Ganz Europa wird vom kolonialen Eroberungsfieber geschüttelt. Japan hat nicht nur die eigene Stärke, sondern auch Chinas Schwäche enthüllt; der Traum von der Aufteilung Chinas entsteht: Deutschland, England, Russland, Frankreich, Japan besetzen Stücke des chinesischen Reiches und denken an die Einteilung Chinas in jene Interessensphären, die die künftige Aufteilung vorbereiten. Dieses Vorgehen weckt in China nationalen Widerstand. Die Boxerunruhen zeigen den Eindringlingen die Gefahr. Der berüchtigte Hunnenzug wird unternommen. Die Truppen der europäischen Großmächte, Japans und der Vereinigten Staaten rücken in Peking ein, an ihrer Spitze der „Weltmarschall“ Graf Waldersee; ihr Wüten macht den gedemütigten Chinesen die Gefahren klar, die sie bedrohen; die Reformbewegung, das Streben, China nach dem Beispiel Japans in einen modernen Militärstaat umzuwandeln, nimmt rasch zu und schlägt schließlich in die Revolution um. Der europäische Kapitalismus hat eine neue revolutionäre Großtat verrichtet; der älteste und konservativste Staat der Welt, der seit Jahrtausenden kaum eine Entwicklung gekannt hat, tritt in die Weltgeschichte ein und wird zu einem neuen Faktor des historischen Geschehens auch für die europäische Menschheit.

Der andere Staat Ostasiens, Japan, aber hat unterdessen in die europäische Geschichte bereits entscheidend eingegriffen. In dem gewaltigsten Kriege der neueren Zeit setzt es dem Vordringen Russlands in Ostasien Halt. Es wirft die angestaunte russische Militärmacht nieder, vernichtet die russische Flotte. Und für Russland erfüllt sich jetzt das Gesetz, das da heißt: Auf den Krieg folgt die soziale Revolution! Was die Japaner an staatlichen Machtmitteln noch haben stehen lassen, das geht jetzt in dem langen und grausamen Bürgerkrieg verloren. Nochmals siegt der russische Despotismus, aber er siegt um den Preis der Ohnmacht des Landes, und sein Fundament ist vermorscht.

War Japans Sieg das Zeugnis von der erwachten Kraft Asiens, so rüttelte er fortwirkend in den übrigen, dem europäischen Vordringen preisgegebenen Nationen neue Kräfte auf. Aus Ostasien zurückgeworfen, suchte Russland sich dort zu entschädigen, wo es den geringsten Widerstand erwarten durfte. Im Bunde mit England begann es gegen die Türkei vorzugehen. Die Antwort war die türkische Revolution. Der asiatische Despotismus Abdul Hamids hatte sich ohnmächtig erwiesen, dem europäischen Andringen Widerstand zu leisten. Die Offiziere der Armee, die das alte Reich nach außen stark machen wollten, setzten sich selbst an die Spitze der Revolution. Die Konstitution wurde erzwungen, der Sultan entthront und gefangen gesetzt. Und dem tückischen Beispiel folgten die Perser nach.

6. England und Deutschland

Wir sehen, die kriegerischen Ereignisse und die revolutionären Verwicklungen rücken von der Peripherie des Weltgeschehens immer näher dem europäischen Zentrum, und wir wissen, seit Jahren stehen die großen europäischen Staaten unter dem zunehmenden Druck der Kriegsgefahr. Ihre unmittelbare und am stärksten wirkende Ursache ist der Gegensalz zwischen Deutschland und England. England, lange Zeit der unumschränkte Beherrscher des Weltmarkts, ist zugleich die größte Kolonialmacht. Deutschland hat seit Herstellung des Reiches mit Riesenschritten den englischen ökonomischen Vorsprung nachgeholt; seine Industrie steht heute — nicht zuletzt infolge der Höhe seiner Wissenschaft und der Intelligenz seiner von der Sozialdemokratie geschulten, zu höherem geistigem Leben erweckten Arbeiterschaft — keiner anderen nach. Aber als eines der jüngsten kapitalistischen Länder, das in der Zeit, als die Entscheidungen über die Welt fielen, politisch ohnmächtig war, hat Deutschland keinen nennenswerten Kolonialbesitz. Und nicht nur von England und Frankreich, auch von kleineren Staaten wie Belgien, Holland, Portugal und Spanien wird Deutschland an Kolonialbesitz bei weitem übertroffen. Wir wissen aber bereits, dass das Kapital zu keiner Zeit mehr nach Ausweitung der Märkte, gewaltsamer Öffnung fremder Gebiete und deren Aneignung und Einverleibung drängte als gerade heute.

Dies Streben beherrscht die deutsche auswärtige Politik seit dem Sturze Bismarcks. Die Erfolge sind vorerst gering. Unterdessen aber wird mit fieberhaftem Eifer an der Herstellung jenes Machtmittels gearbeitet, ohne das imperialistische Politik nicht getrieben werden kann: In einer verhältnismäßig kurzen Spanne Zeit wird Deutschland die zweite Seemacht der Welt und schickt sich an, die englische Vormachtstellung in Frage zu stellen. Der deutsch-englische Gegensatz als das die auswärtige Politik beherrschende Moment tritt aber um so mehr in den Vordergrund, als Russland, durch den japanischen Krieg und die Revolution aufs äußerste geschwächt, als kriegerisch vollwertige Großmacht auf lange Zeit ausscheidet. Damit verschwindet der alte Gegensatz zwischen England und Russland, der so lange die auswärtige Politik beherrscht hatte. Solange Russland stark war, mussten sowohl Deutschland als England darauf gefasst sein, dass Russland bei jedem Konflikt zwischen ihnen die schließliche Entscheidung geben werde. Je nachdem es sich auf die eine oder andere Seite geschlagen hätte, hätte es den Kampf entscheiden und die Friedensbedingungen diktieren können. Dies wird nunmehr unmöglich. Russland kann auswärtige Politik nur durch die Ausnutzung des deutsch-englischen Gegensatzes machen und ist dabei schon durch geographische Verhältnisse gezwungen, sich vornehmlich an England anzulehnen, dessen Flotte in jenen Gebieten, wo sich der russische Expansionsdrang betätigt, als stärkstes Machtmittel entscheidend ins Gewicht fällt. Neben Russland treten auch die anderen alten Kolonialmächte auf Englands Seite, vor allem Frankreich. Dem alten Dreibund Deutschland—Österreich—Italien tritt die Tripelentente England—Russland—Frankreich entgegen.

Russland und England benutzen die persische Revolution, um Persien die Unabhängigkeit zu rauben und sich in die Herrschaft des Landes zu teilen. Österreich verkündet die Annexion der ehemals türkischen Provinzen Bosnien und Herzegowina. Die Tripelentente protestiert, die Kriegsgefahr wird akut, doch die militärische Schwäche Russlands gegenüber der österreichisch-deutschen Übermacht verhindert den Zusammenstoß. Die Krise geht vorüber, um von einer neuen abgelöst zu werden, dem Marokkokonflikt. Der Streit führt dicht an den Rand eines Weltkrieges, wird durch ein Kompromiss abgeschlossen, steigert aber den Gegensatz zwischen England—Frankreich und Deutschland noch weiter und wird zur Veranlassung einer neuen Beschleunigung im Wettrüsten zu Wasser und zu Lande. Seine unmittelbare Folge ist der italienische Raubzug nach Tripolis. Der italienisch-türkische Krieg rollt die Orientfrage mit all ihren Gefahren auf, denn in der Türkei stoßen alle Rivalitäten der Großmächte aufeinander. Ist doch Konstantinopel einer der wichtigsten strategischen Punkte. Konstantinopel begehren Engländer und Russen. Saloniki die Österreicher, die albanische Küste die Italiener; in der asiatischen Türkei stoßen deutsche, englische, französische und russische Interessen feindlich aufeinander, und um den Rest der europäischen Türkei würden die Balkanstaaten raufen, bis sie selbst vielleicht zur Beute siegreicher Großmächte würden.

Im fernen Osten aber bedeutet das revolutionäre China einen anderen Krisenherd. Die europäischen und amerikanischen Banken suchen die finanzielle Not des Riesenreiches zu benutzen, um es in Schuldknechtschaft zu stürzen, die später zu politischen Eingriffen führen kann. Japan und Russland aber verständigen sich über die Erweiterung ihrer Einflusssphären in China, um die riesigen Gebiete der Mandschurei und Mongolei ihrer Herrschaft einzuverleiben.

So sind Krieg und Revolution der Welt wieder alltägliche Erscheinungen geworden, und der Inhalt aller bürgerlichen Politik scheint die Vorbereitung zum Kriege, zum Weltkrieg um die Weltherrschaft, zu bilden

Tag(s) : #Impérialisme. Rosa Luxemburg
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