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1878. La position de Wilhem Liebknecht dans sa brochure "Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden?"
Vorwort.

Gegen Ende des vorigen Jahres theilte mir ein engliſcher Freund mit, daß in England Verſammlungen ſtattfinden würden, um die ſchwankende Regierung zu energiſchem Vorgehen gegen die ruſſiſche Eroberungspolitik zu drängen, und bat mich um Auskunft über die Stimmung in Deutſchland, ob unſer Volk die ruſſenfreund-liche Haltung des Fürſten Bismarck billige und bereit ſei, falls der ruſſiſch-türkiſche Krieg zum europäiſchen Krieg ſich erweitern ſollte,für Rußland gegen das civiliſirte Europa in die Schranken zu treten. Jch antwortete ihm, das deutſche Volk in ſeiner ungeheueren Mehr-heit verabſcheue den gegenwärtigen Krieg, es verabſcheue das ruſſiſche Czaren- und Knutenthum; nach Neujahr würden Verſammlungen abgehalten werden, welche dem Volke Gelegenheit geben würden, ſeine Meinung und ſeinen Willen zum öffentlichen Ausdruck zu bringen; und ſobald der Reichstag verſammelt ſei, würde von ſozial-
demokratiſchen Abgeordneten der Verſuch gemacht werden, für eine Jnterpellation, betreffend die Orientpolitik der Reichsregierung, die nöthige Zahl von Unterſchriften zu erlangen und, falls dies an der Servilität der übrigen Parteien ſcheitern ſollte, auf andere Weiſe eine Diskuſſion der Orientpolitik des Fürſten Bismarck zu veranlaſſen.

Ein kurzer, wenige Zeilen langer Auszug aus meinem engliſch geſchriebenen Briefe, wurde in engliſchen Blättern veröffentlicht, und ging, mehr oder weniger unrichtig überſetzt — die Unwiſſenheit dieſer elenden Soldſchreiber iſt womöglich noch größer als ihreNiedertracht — in die deutſche Reptilpreſſe über, die, ein wahren Schlammvulkan, mich ſeitdem für das todeswürdige Verbrechen, die patriotiſche Staatsmannſchaft des Fürſten Bismarck angezweifelt zu haben, mit einer Schmutzeruption beehrt. Dieſes Geſindel iſt keiner Antwort werth — ſein Schimpfen verräth bloß, daß ich einer wunden Fleck berührt — aber meinen Parteigenoſſen bin ich eine Erklärung ſchuldig, und dem deutſchen Volke gegenüber fühle ich dieVerpflichtung, es vor der Gefahr zu warnen, in welcher, Dank der Politik der Reichsregierung, unſer Vaterland ſchwebt.

Meinen Parteigenoſſen habe ich zu ſagen, daß es mir nicht eingefallen iſt, nicht einfallen konnte, die Partei als ſolche in Bezug auf die orientaliſche Frage nach irgend einer Richtung zu engagiren. Was ich gethan habe, was ich thue und thun werde, that und thue ich auf eigene Fauſt, alle Verantwortlichkeit auf mich nehmend.

An das deutſche Volk aber wende ich mich, weil ich es für ein „Culturvolk‟ halte, zu gut, um ſeine „Knochen‟ für eine Politik zu opfern, die unſeren nationalen Jntereſſen ebenſo feindlich iſt, wie den Culturintereſſen der ganzen ziviliſirten Welt. Jch will ihm zeigen, daß die einzige Partei, welche eine echt nationale, das heißt die Jntereſſen des deutſchen Volkes fördernde Politik hat, gerade die Partei iſt, der man die Leugnung, die Bekämpfung des nationalen Prinzips vorwirft, und daß, anderſeits, gerade die Partei, die Politik unſere Nationalintereſſen bekämpft, ſie dem „Erbfreund‟ genannten „Erb feind‟ preisgibt, welche ſich mit Vorliebe in den Mantel der Nationalität hüllt.

Man klagt mich an, ich, der Sozialdemokrat, ſei „dem engliſchen Toryminiſterium zu Hülfe gekommen.‟ Albernes Geſchwatz. Was geht mich Disraeli oder Lord Beaconsfield an? Freuen aber
ſoll’s mich, wenn Disraeli oder Lord Beaconsfield dem ruſſiſchen Räuber und Mordbrenner in die Arme fällt. Den Mann, der einem Banditen den zum Stoß erhobenen Dolch aus der Hand windet, frage ich nicht nach ſeinem politiſchen Glaubensbekenntniß.

Warum die Wuth gegen mich? Einfach, weil ich der Ueberzeugung bin, daß die deutſche Politik Sache des deutſchen Volkes iſt, und nicht Sache des Fürſten Bismarck.

Das iſt freilich Majeſtätsbeleidigung — denn die Majeſtät in Deutſchland iſt ja Fürſt Bismarck, an dem die andern Majeſtäten blos hängen, von dem ſie blos abhängen — nach Treitſchke’ſch natio
nalliberaler Orthodoxie.

Es ſind faſt 200 Jahre her, ſeit in Frankreich ein König das Wort ausſprach: Der Staat bin ich. Der Menſch, der das frevelhafte Wort geſprochen, hat ein gar trauriges Ende genommen, und ſein Enkel hat Buße thun müſſen im Sack der Guillotine für die Sünde des Urgroßvaters.

Das ſind faſt zwei Hundert Jahre her, und uns Deutſchen erdreiſtet man ſich heute, im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, ein vollſtändiges Aufgehen in den Willen eines einzigen Mannes zuzumuthen — erdreiſtet ſich uns zuzumuthen, daß wir von dieſemeinen Mann, der nicht einmal ein Monarch iſt, ſondern nur der Bedienſtete eines Monarchen — daß wir von dieſem einen Mann glauben ſollen: er iſt das Reich, er iſt die Allweisheit, er denkt für uns, er handelt für uns — erdreiſtet ſich uns zuzumuthen, daß wir Jntellekt, Mannhaftigkeit, Ehre, Alles im blinden Vertrauen auf dieſen einen Mann opfern.

Für wie tief geſunken muß man unſer Volk halten!

Das Beleidigende für unſer deutſches Volk wird noch dadurch verſchärft, daß dieſelben Reptilien, die über die deutſchen Volksverſammlungen Zeter ſchreien, ihr Anathema auskreiſchen, jedes eng
liſche
Winkelmeeting zu Gunſten der ruſſiſchen Politik als ein Ereigniß, als eine geſunde nationale That preiſen. Die Engländer haben das Recht, eine Meinung zu haben und zu äußern, die Deutſchen nicht.

Und was die beabſichtigte Jnterpellation im Reichstag angeht — hat der Reichstag nicht etwa das Recht, Jnterpellationen zu ſtellen? Hat er nicht die Pflicht, Jnterpellationen zu ſtellen, wenn das Vaterland in Gefahr iſt und wenn — die ſchlimmſte aller Gefahren — das Volk, weil ſyſtematiſch im Dunkel gehalten, die Größe und Natur der Gefahr nicht kennt?

Vor 70 Jahren erſchien in Deutſchland ein Buch, das den Titel trug: „Deutſchland in ſeiner tiefſten Erniedrigung.‟ Das deutſche Volk, an ſeine Schmach erinnert, zitterte vor Scham und Zorn; und der korſiſche Despot zitterte vor Angſt: er ließ den Buchhändler erſchießen, der das Buch verlegt. Jch hätte faſt den nämlichen Titel für dieſes Schriftchen gewählt; und er wäre zum mindeſten ebenſo paſſend geweſen wie damals. Deutſchland zu den Füßen Kaiſer Napoleon’s, das war gewiß tiefe Erniedrigung, aber Deutſchland zu den Füßen Czar Alexa nder’s — das iſt noch tiefere Erniedrigung. Der Bezwinger der franzöſiſchen Revolution war auch ihr Erbe, ihr Teſtamentsvollſtrecker, er reformirte, er trieb uns vorwärts, befreite uns von mittelalterlichem Wuſt. Das „milde Väterchen‟ dagegen vertritt keine „Jdee‟ als das brutale, viehiſche Knutenthum, verdeckt hinter heuchleriſchen Phraſen —

Doch ich gab den Gedanken auf, weil ich den Jnhalt durch den Titel deutlich bezeichnen wollte.

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Jm Augenblick, wo ich dies ſchreibe, ſpitzen die Dinge ſich zu einer Entſcheidung zu. Die nächſten Stunden bringen uns den Frieden oder den europäiſchen Krieg. Aber ſelbſt im günſtigſten Fall, d. h. wenn das ſiegesberauſchte Rußland noch in letzter Mi

nute vor dem gezückten Schwert Englands zurückweichen ſollte, wird der „Friede‟ nur ein Waffenſtillſtand ſein, den Rußland bricht, ſobald es den paſſenden Moment gekommen glaubt. Die Lawine der orientaliſchen Frage hängt nach wie vor über Europa, und unter den europäiſchen Culturländern iſt es Deutſchland, das am meiſten bedroht iſt, wenn auch der geniale Urheber das „Bischen Herzegowina‟ nicht finden kann, daß „deutſche Jntereſſen‟ durch den ruſſiſch-türkiſchen Krieg bedroht, oder auch nur berührt ſeien.


W. Liebknecht.


Zunächſt laſſe ich nachſtehend einige Artikel folgen, welche ich ſeit Herbſt 1876 für den „Vorwärts‟ die „Neue Welt‟ und die „Sozialdemokratiſche Correſpondenz‟ geſchrieben habe.

Tag(s) : #Colonialisme. Rosa Luxemburg
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